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Markus Heitz (1971) gehört zu den erfolgreichsten und produktivsten Fantasy-Autoren Deutschlands. Bekannt wurde er vor allem mit seiner Saga „Die Zwerge“, die auch international große Beachtung fand. Wir haben uns mit ihm im Homburger Vin!oh am Marktplatz getroffen. Im Interview spricht Heitz über seinen Werdegang vom Lehramtsstudenten zum Bestsellerautor, den feinen Unterschied zwischen Fantastik und Fantasy, den Erfolg seiner Bücher im Ausland und die teils kurios unterschiedlichen Buchcover. Außerdem geht es um neue Erzählformen wie interaktive Elemente, die Chancen und Risiken von Künstlicher Intelligenz für Schriftsteller, um das Besondere an Kinderbüchern sowie die Frage, wie er selbst Geschichten entwickelt.
Vom Werdegang und dem Quäntchen Glück
Jetzt. Magazin: Herr Heitz, Sie gehören zu den bekanntesten Fantasy-Autoren Deutschlands. Gab es einen Moment, an dem Sie gemerkt haben: Jetzt werde ich wirklich bekannt? Wann hat sich der Erfolg so richtig eingestellt?
Markus Heitz: Um ehrlich zu sein, darum geht es mir gar nicht – berühmt zu sein. Das ist ja das Lustige: Die wirklich Kreativen wollen einfach nur umsetzen, was sie im Kopf haben. Ob Maler, Bildhauer oder Musiker, völlig egal – irgendwas in dir will gestalten. Das war immer mein Ansatz: Hauptsache, vom Schreiben leben können. Bei den meisten Künstlern klappt genau das nicht. Viele haben einen Brotjob und erschaffen ihre Kunst nebenbei. In meinem Fall: Ich durfte schreiben und musste kein Geld dafür bezahlen, dass man meine Bücher druckt. Ich kam bei einem Publikumsverlag unter – darüber war ich schon happy. Dass es dann relativ schnell gereicht hat, ausschließlich von meinen Romanen zu leben, ist das Beste, was passieren kann. Ich schreibe, ganz egal, ob es jemand liest oder nicht. Im Jugendalter habe ich schon Geschichten zu Papier gebracht, die keiner gelesen hat – und ich fand’s trotzdem schön. Jetzt lesen zum Glück seit über 20 Jahren viele Menschen meine Storys. Das ist großartig.
Jetzt. Magazin: War es insgeheim schon immer Ihr Traum, Autor zu werden? Sie haben ja einen etwas ungewöhnlichen Werdegang und ursprünglich Lehramt studiert.
Markus Heitz: Mein Traum, Schriftsteller zu sein, entstand tatsächlich früh – mit 14 Jahren. Ich merkte, Geschichten zu erzählen und Welten zu erfinden, fällt mir leicht. In der Schule sieht man recht schnell, was einem besonders liegt oder nicht. Also geht man idealerweise in die Richtung, die einem leicht von der Hand geht. Unterwegs habe ich aber zunächst einen anderen Weg eingeschlagen: Lehramt. Doch da ging es schon los mit der Kreativität, die an mir gezogen hat. Ich stellte mir die Frage, ob meine Motivation ausreicht, 10, 20, 30 Jahre im Schuldienst zu sein – ohne einer von den frustrierten Lehrern zu werden. Und ich war mir nicht sicher. Also: Lieber kein Lehrer als ein schlechter Lehrer. Daher der Wechsel auf den Magisterstudiengang, damit ich einen Uni-Abschluss habe und nicht frustriert im Lehramt verharre.
Während des Studiums arbeitete ich schon als freier Mitarbeiter für eine Zeitung. Das Schreiben blieb also immer präsent. Und ich merkte, dass es Unsinn ist, sich dagegen zu sperren. Nebenbei habe ich weiter Bücher verfasst – bis 2004 dann der Erfolg so groß wurde, dass ich endgültig von den Romanen leben konnte. Mit Glück – toi, toi, toi, das gehört dazu – klappte es. Jeder Kreative wird unterschreiben, dass dieser Faktor eine Rolle spielt.
Jetzt. Magazin: Sie sprechen vom Glück. Wie definieren Sie denn dieses Quäntchen Glück, das Ihnen auf Ihrem Weg geholfen hat?
Markus Heitz: Zum einen hatte ich das Glück, direkt bei einem großen Verlag unterzukommen – damals bei Heyne. Ich musste nicht, wie manche andere, Geld hinblättern, damit meine Bücher gedruckt werden. (Es gibt sogenannte „Service-Verlage“, die Autoren Geld abknöpfen, um deren Bücher zu verlegen. Das ist ein eigenes Thema.) Gelesen haben die ersten Werke zwar nur ein paar Leute – nicht genug, um davon zu leben –, aber immerhin war ich veröffentlicht. Der nächste große Glücksmoment für mein kreatives Dasein war die Fantasy-Welle Anfang der 2000er. Als Peter Jackson „Der Herr der Ringe“ ins Kino brachte, begeisterte das enorm viele Menschen für Fantasy– Leute, die vorher keinen Zugang zum Genre oder sich nicht herangetraut hatten, bekamen plötzlich auf der Leinwand gezeigt, was es bedeutet, eine Fantasywelt zu erleben. Jackson hat mit „Herr der Ringe“ 1–3 großartige Arbeit abgeliefert, die Filme sind heute noch klasse. Mit einem Schlag wurde ein breites Interesse an Fantastik geweckt. Die Leute wollten danach nicht nur mehr Fantasy sehen, sondern auch mehr lesen. Mit Harry Potter ging es ja schon um 2000 los – da dämmerte es bereits vielen, wie faszinierend magische Welten sein können. Diese Grundsensibilisierung für das Fantastische war also gelegt, und „Herr der Ringe“ hat dann noch mehr Menschen in die klassische Fantasy gezogen. Genau in dem Moment kam von mir der erste Band von „Die Zwerge“ auf den Markt – klassische Fantasy. Das ist dieses berühmte Quäntchen Glück: zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, mit der richtigen Story. Offensichtlich war die Geschichte auch gut genug, um Leute zu unterhalten. Die „Zwerge“-Reihe gibt es jetzt seit über 20 Jahren – und immer noch. Das ist supercool und kommt wirklich nicht oft vor, wie ich inzwischen gelernt habe.
Fantastik vs. Fantasy – grenzenlose Möglichkeiten
Jetzt. Magazin: Ihre Heimat im Saarland ist ja sehr ländlich geprägt. Haben Ihre Umgebung oder private Erlebnisse eigentlich Ihre Geschichten beeinflusst? Anders gefragt: Fließt etwas von Ihrer eigenen Welt in Ihre Fantasy-Welten ein?
Markus Heitz: Also, Erfahrungen mit Wäldern und Natur habe ich auf jeden Fall gesammelt – bei der Bundeswehr und bei den Pfadfindern. Insofern: Check. Ich war dem Wald oft sehr nahe, meist sogar im tarnendem Grün (lacht). Ich wohne ziemlich im Grünen; wenn ich den Berg hochgehe, bin ich sofort umgeben von Wald und Feldern. Viel Natur um mich herum. Das mag indirekt einen Einfluss haben – ein weicher Faktor, sage ich mal. Aber es war kein entscheidender Faktor, der mich in die Fantastik geschoben hat. Der ausschlaggebende Punkt war wahrscheinlich eher, dass ich unglaublich viel gelesen habe und das Fantastische immer super spannend fand. Märchen, Sagen, Legenden – und danach klassische Fantasy-Literatur, die man als Kind und Jugendlicher so liest. Das hat mich geprägt.
Jetzt. Magazin: Sie verwenden oft den Begriff Fantastik. Was verstehen Sie darunter – gibt es für Sie einen Unterschied zur klassischen Fantasy?
Markus Heitz: Auf jeden Fall! Fantasy ist normalerweise der spezielle Begriff für etwa „Herr der Ringe“ und vergleichbare Werke – damit ist oft eine mittelalterlich anmutende Welt mit Magie gemeint, also ein bestimmtes Subgenre. Fantastik hingegen greift viel weiter. Das Tolle darin ist: Es kann alles möglich sein. Es gibt keinerlei Limits.
Wenn ich einen Krimi schreibe, der in der Gegenwart spielt, muss ich mich an die realen Gegebenheiten halten. Schreibe ich einen historischen Roman, muss er den historischen Tatsachen entsprechen. Aber schreibe ich Fantastik, kann ich Reales mit Erfundenem mischen, oder ich erschaffe komplett neue Welten mit eigenen Regeln und allem Drum und Dran. Die einzige Grenze ist meine eigene Vorstellungskraft – und mein Ausdrucksvermögen, klar. Ansonsten kann ich mit Sprache alles erschaffen. Das konnten übrigens außer uns Autoren nur noch Programmierer für sich beanspruchen (lacht). In der Fantastik gibt es unendliche Möglichkeiten, und genau das macht dieses Genre für mich so besonders. Videospiele zum Beispiel nutzen ausgedachte Welten, Superhelden und was auch immer schon lange – im Grunde ein Echo dieser unendlichen Welten, die Autoren schon vor Hunderten von Jahren ersonnen haben. Die Fantastik bietet einen unendlichen Schatz an Ideen, und den schöpfe ich gerne aus.
Abwechslung zwischen Zwergen, Thrillern und Kinderbüchern
Jetzt. Magazin: Sie bewegen sich innerhalb der Fantastik in ganz verschiedenen Welten und schreiben auch außerhalb davon in unterschiedlichen Genres. Ihre Bücher reichen von epischer Fantasy über Horror und Sci-Fi bis hin zu Historischem und Thrillern – und sogar Kinderbüchern. Ist diese Vielfalt volle Absicht? Gibt es ein Genre, in das Sie noch tiefer eintauchen möchten?
Markus Heitz: Unbedingt – das ist volle Absicht. Ich mag Abwechslung und schreibe sogar ganz ohne Fantastik, zum Beispiel einen Yakuza-Thriller, in dem kein Zwerg durchs Bild läuft und kein Vampir vorkommt. Ohne diese Abwechslung wäre mir Schreiben schnell zu eingleisig und langweilig. Klar, ich könnte jetzt an Band 314 von „Die Zwerge“ sitzen – es ist immer noch meine erfolgreichste Serie. Und der Verlag fände es bestimmt super, wenn ich nonstop Zwerge-Geschichten liefere. Aber das wäre, als würde ich jeden Tag dieselbe Pizza essen. Die ersten zwei Tage ist Pizza toll, am dritten Tag denkst du dir: Och, ein Salat wäre jetzt auch schön, oder mal Nudeln, oder ein Steak. (lacht) Diese Abwechslung ist mir unheimlich wichtig. Deshalb schreibe ich über Zwerge, über Vampire, über Horror. Oder Kinderbücher und eben ganz „normale“ Thriller – einfach weil ich die Ideen dazu habe. Es wäre doch blöd, sich selbst zu limitieren und zu sagen: „Nee, ich schreibe nur klassische Fantasy, weil die am besten läuft.“ Das fände ich wirklich dumm.
Jetzt. Magazin: Das muss man sich aber auch leisten können, oder? Nicht jeder Autor kann es sich erlauben, auch mal weniger zugkräftige Projekte umzusetzen.
Markus Heitz: Stimmt, das ist in gewisser Weise ein Luxus. Ich gönne mir einfach immer wieder neue Themen- und Genrewechsel – und habe zum Glück einen Verlag, der das alles mitmacht. Ich glaube, Verlage wissen auch sehr genau: Unglückliche Autoren schreiben keine guten Bücher (lacht). Deshalb lässt man mir da die größtmögliche Freiheit.
Jetzt. Magazin: Ein Genre in Ihrem Repertoire hat uns besonders überrascht: Sie schreiben auch Fantasy für Kinder. Was reizt Sie daran – und wie unterscheidet sich das von Ihren Büchern für Erwachsene?
Markus Heitz: Na ja, Kinderbücher sind im Grunde immer schon fantastisch. Märchen, Sagen, Legenden – das sind meist die ersten Geschichten, mit denen Kinder in Kontakt kommen. Insofern stehen die Kids dem Fantastischen von Anfang an nahe. Im Laufe der Zeit entwickeln sich die persönlichen Geschmäcker: Geht’s eher Richtung Science-Fiction, wollen sie lieber zum Mond fliegen? Oder stehen sie mehr auf Detektivgeschichten wie „Die drei ???“. Jeder tickt da anders. Ich schreibe nur Dinge, die mir Spaß machen. Mich zwingt niemand, über Zwerge, Werwölfe oder für Kinder zu schreiben. Das ist mein riesiger Vorteil: Ich kann das umsetzen, was mir gefällt. Bei den Kinderbüchern finde ich es wichtig, die Kids an den Spaß des Lesens heranzuführen und am Buch zu halten. Es gibt von mir z.B. eine Kinderbuch-Reihe, bei der die Sätze bewusst einfacher gehalten sind, ohne endlose Schachtelsätze und die Handlung ziemlich schnell voranschreitet. Die Idee ist, die Kinder dort abzuholen, wo sie stehen, geprägt von deren Serien und Games. Das Buch soll sie sofort in die Story reinziehen. Hoffentlich merken sie beim Umblättern dann: Lesen ist doch cool – und trauen sich, wie ich früher in der Bibliothek, von der Kinder- in die Jugendbuch- und später weiter in die Erwachsenenabteilung. Das ist mein Bestreben: Sie sollen entdecken, wie toll Bücher sind.
Das vollständige Interview lesen Sie in der Jetzt. Ausgabe Nr. 2
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