Sattes Sonnenlicht taucht den Homburger Marktplatz in helle Farben, Olivenbäume säumen die Terrasse. Wer hier Platz nimmt, sitzt nicht einfach in einem Restaurant, sondern in einem Jahrzehnt gelebter Gastfreundschaft. Vor zehn Jahren zog die Familie Nardi in die leerstehenden Räume einer Buchhandlung und verwandelte sie in ein Stück Italien – mit handgemachter Pasta, moderner Technik und genug Herzblut, um eine ganze Stadt zu versorgen. Heute ist das Oh!lio Wirtschaftsfaktor, sozialer Anker und kulinarischer Kompass zugleich. Giuseppe Nardi erinnert sich an die hektischen Umbautage, Francesco Nardi bewahrt Rezepte, die seit dem ersten Tag bestehen, Marco Dante verfeinert den Service bis ins Detail, und Donatella Nardi erzählt von Charity-Menüs, deren Erlös längst die Millionenmarke überschritten hat. Ein Gespräch über Wachstum ohne Glamour, über täglich frisch gekochte Pasta – und darüber, wie ein Lokal zum Lebensmittelpunkt werden kann – für Gäste, Mitarbeitende und eine ganze Innenstadt.
Hallo zusammen. Lassen Sie uns doch einmal zum Ursprung gehen. Was war einst in den Räumen des heutigen Oh!lio untergebracht – und wie kam die Entscheidung zustande, hier ein italienisches Restaurant zu eröffnen?
Giuseppe Nardi: Im heutigen Oh!lio war ursprünglich ein Bertelsmann-Buchladen untergebracht. Die Entscheidung, ein Restaurant daraus zu machen, fiel, als ich eine Pastamanufaktur gekauft hatte. Ich wollte sehen, wie die Produkte direkt beim Gast ankommen. Außerdem ist Gastronomie schon immer eine Leidenschaft von mir gewesen. Wir kochen alle gern in der Familie, wir sind eine typische italienische Großfamilie – da wird jedes Wochenende für alle gekocht. Aus diesen verschiedenen Motiven entstand schließlich die Idee, ein italienisches Restaurant zu eröffnen. Und es war mir auch wichtig, den Marktplatz in Homburg, der damals brachlag, wiederzubeleben.
Wie verlief die Planungsphase vor der Eröffnung? Wer hat das Konzept geprägt und wie sah die Vision aus, bevor es losging?
Giuseppe Nardi: Die Planungsphase war ziemlich turbulent. Wir hatten einen sehr engen Zeitplan für den Umbau und die Eröffnung, weil wir die Sommersaison nicht verpassen wollten. Also hieß es: so schnell wie möglich umbauen, damit wir bei schönem Wetter die Gäste im Sonnenschein bewirten können. Zum Glück hatten wir einen sehr guten Architekten, zeitweise waren hier über 100 lokale Handwerker gleichzeitig mit allen Gewerken beschäftigt. Das Oh!lio ist eben kein normales Restaurant. Die Technik, die hier verbaut wurde – Lüftung, Küchentechnik, Dämmung, Schalltechnik – entspricht einem ganz modernen Standard. Dafür brauchte es spezielle Fachleute. Wir haben so viele gute Unternehmen in der Region, die das hervorragend bewältigt haben.
Wie haben Sie das ursprüngliche Interieur- und Raumkonzept entworfen? Welche Gedanken steckten hinter der Gestaltung?
Giuseppe Nardi: Wir haben einen Architekten aus Dortmund engagiert, der auf Restaurantgestaltung spezialisiert ist. Das Briefing war klar: bloß kein Schickimicki-Laden, der die Gäste schon durch das Äußere abschreckt. Das Oh!lio sollte so aussehen, als hätte ein italienischer Gastronom über viele Jahre verschiedene Epochen durchlebt, immer wieder erweitert, immer wieder etwas verändert. Es sollte nie wirklich perfekt wirken. Deshalb gibt es verschiedene Materialien: mal alte Fliesen, ein Teil mit Holzboden, Tapeten an den Wänden. Das hat der Architekt, finde ich, sehr gut umgesetzt. Es wirkt wie ein über Jahrzehnte gewachsener Betrieb – und genau das zieht die Leute an. Dazu kam ein durchdachtes Schallkonzept: Wir haben mit einem Experten zusammengearbeitet, der dafür gesorgt hat, dass selbst bei vollem Haus keine akustischen Überkopplungen entstehen. Denn die verursachen unbemerkt Stress beim Gast und stören den Genuss.

Das sind ja wichtige „Kleinigkeiten“. Wie kommt man darauf, wie denkt man hier an alles?
Giuseppe Nardi: Vieles haben wir mit Fachleuten entwickelt, aber auch aus eigenen Erfahrungen in Restaurants. Wir haben gesagt: Das, was wir selbst nicht mögen, soll es bei uns nicht geben. Sie kennen das – man sitzt in einem Restaurant, alle reden gleichzeitig, und plötzlich hat man diesen Stress. Im Oh!lio ist es zwar laut, wenn 200 Gäste da sind, aber man versteht trotzdem sein Gegenüber und hat keinen akustischen Stress. Der zweite Punkt war: Niemand soll nach Essen riechen, wenn er das Oh!lio verlässt. Das war eine große Herausforderung. Wir haben mit verschiedenen Drucksystemen in Küche und Gastraum gearbeitet. Unsere Lüftung tauscht die Luft pro Stunde siebenmal komplett aus und ersetzt sie durch gefilterte Frischluft. Das sorgt unmerklich, aber effektiv für eine Atmosphäre, in der sich die Gäste wohlfühlen. Das System wird übrigens in der Industrie eingesetzt – pharmazeutische Firmen nutzen es, um reine Luft in ihren Räumen zu garantieren.
Welche Herausforderungen mussten Sie in der Anfangszeit meistern?
Giuseppe Nardi: Das Oh!lio ist ein Restaurant mit vielen Plätzen. Drinnen und draußen haben wir im Sommer über 200 Sitzplätze, und oft bewirten wir an einem Abend mehr als 200 Gäste. Für einen À-la-carte-Betrieb dieser Größe braucht man eine lange Anfangsphase. Wir haben das erst ein bisschen unterschätzt – es ging durchaus drunter und drüber, bis sich alle Abläufe eingespielt hatten. Die größte Herausforderung war, den Großbetrieb zu meistern und trotzdem die familiäre Atmosphäre zu bewahren. Wir kochen ja jedes Gericht frisch. Wir machen normale, aber doch etwas gehobenere italienische Küche. Diese Prozesse in einem À-la-carte-Betrieb mit so vielen Gästen an einem guten Abend zu organisieren – das war eine echte Herausforderung.
Zehn Jahre später: Inwiefern ist das heutige Oh!lio noch das Gleiche wie 2015 – und wo sehen Sie die deutlichsten Weiterentwicklungen?
Donatella Nardi: Wir entwickeln uns ständig weiter, indem wir unsere Gäste mitnehmen, neue Veranstaltungen planen – und das mit großem Erfolg. Wir organisieren Charity-Events, schaffen Events, die Bestand haben und regelmäßig stattfinden und das wird sehr gut angenommen. Auch in der Küche entwickeln wir uns ständig weiter, investieren in neue Geräte, die unsere Abläufe verbessern. Dazu kommen neue Objekte, Projekte, Digitalisierung – vieles, was unseren Gästen den Aufenthalt und die Abläufe erleichtert, auch was z.B. Bezahlsysteme angeht.
Giuseppe Nardi: Das Oh!lio ist längst mehr als ein Restaurant. Wir haben hier rund 50 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und sind fast das ganze Jahr über geöffnet – mit wenigen Ausnahmen. Ein solcher Betrieb braucht eine Organisation im Hintergrund, die betriebswirtschaftlich denkt, ökologische Müllentsorgung organisiert, Liefer- und Bestellprozesse steuert – das hat alles den Charakter eines mittelständischen Unternehmens.

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