Von Daniel von Hofen
Sie gelten als wahre Wunderwaffen gegen Krankheiten, als Booster für das Immunsystem und als Schlüssel zu einem gesunden Lebensstil: Superfoods. Kaum ein Ernährungstrend hat in den vergangenen Jahren so viel Aufmerksamkeit bekommen – befeuert von sozialen Medien, Influencern und cleverem Marketing. Doch was steckt tatsächlich hinter dem Hype um Chiasamen, Goji-Beeren oder Spirulina? Sind sie wirklich so gesund, wie behauptet wird? Oder tut’s auch die Heidelbeere aus dem heimischen Garten?
Wir haben mit der Ernährungsmedizinerin Dr. Verena Keller gesprochen. Dr. Verena Keller ist Internistin und Ernährungsmedizinerin. Sie leitet den Studiengang Ernährungsmedizin und Diätetik an der Universität des Saarlandes und ist Oberärztin in der Inneren Medizin II der Universitätsklinik des Saarlandes mit Schwerpunkt ernährungsassoziierte Erkrankungen und Adipositas. Im Interview erklärt sie, warum der Begriff „Superfood“ wissenschaftlich kaum belastbar ist, welche Nährstoffe tatsächlich hilfreich sein können – und warum es sich lohnt, öfter zu regionalen Lebensmitteln zu greifen. Ein Gespräch über Mythen, Marketing und die Macht der Vielfalt auf dem Teller.
Jetzt. Magazin: Was genau versteht man aus medizinischer Sicht unter dem Begriff „Superfoods“? Gibt es überhaupt wissenschaftliche Kriterien, damit ein Lebensmittel als sogenanntes Superfood gilt?
Dr. Verena Keller: Der Begriff „Superfoods“ ist wissenschaftlich nicht eindeutig definiert und hat sich vor allem durch Marketing etabliert. Er beschreibt Lebensmittel mit einer hohen Nährstoffdichte, die aufgrund ihres Gehalts an Vitaminen, Mineralstoffen, sekundären Pflanzenstoffen oder anderen bioaktiven Substanzen als besonders gesundheitsfördernd gelten. Wissenschaftliche Belege sind oft begrenzt oder beruhen auf Labor- und Tierversuchen, die nicht direkt auf den Alltag übertragbar sind. Laut EU-Health-Claims-Verordnung sind gesundheitsbezogene Werbeaussagen ohne wissenschaftlich gesicherte Nachweise verboten. Superfoods sind meist nährstoffreiche Lebensmittel mit hohem Gehalt an Antioxidantien, Vitaminen oder sekundären Pflanzenstoffen. Sie werden oft als Pulver, Extrakte oder Nahrungsergänzungsmittel verkauft. Heimische Alternativen bieten allerdings häufig vergleichbare Vorteile, werden jedoch weniger stark beworben. Soziale Medien spielen eine große Rolle bei der Verbreitung dieser Trends. Plattformen wie Instagram und TikTok präsentieren Superfoods oft als unverzichtbare Gesundheitsbooster – meist ohne wissenschaftliche Grundlage. Gerade für die jüngere Generation kann das problematisch sein, da Ernährungstrends zunehmend von Influencern geprägt werden, die nicht selten falsche oder stark vereinfachte Informationen verbreiten. Statt jedem neuen Hype zu folgen, lohnt es sich, auf eine bewährte, nährstoffreiche Ernährung zu setzen – oft mit Produkten, die vor der eigenen Haustür wachsen.

Keller – Foto: Armin Schweitzer
Jetzt. Magazin: Welche gesundheitlichen Vorteile können Superfoods denn dann überhaupt bieten?
Dr. Verena Keller: Superfoods werden gerne als “wahre Wundermittel” vermarktet – von der Stärkung des Immunsystems bis zur Prävention oder sogar Therapie schwerer Krankheiten. Doch wissenschaftlich gesicherte Belege fehlen meist. Viele Aussagen basieren auf Labor- oder Tierversuchen, Einzelstudien oder Erfahrungsberichten, die sich nicht direkt auf den Alltag übertragen lassen. Gesicherte Daten zu Enzym-Gehalten oder sekundären Pflanzenstoffen fehlen oft, weshalb eine fundierte Bewertung schwierig ist. Laut Verbraucherzentrale konnte das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart bei Untersuchungen im Jahr 2017 beispielsweise zeigen, dass 90 % der überprüften Proben Mängel in der Kennzeichnung aufwiesen. Ähnlich wie bei Nahrungsergänzungsmitteln werden Kombinationen von Inhaltsstoffen beworben, ohne dass sie in dieser Zusammensetzung tatsächlich getestet wurden. Einzelne Inhaltsstoffe mögen sinnvoll sein, doch die Wirksamkeit des Gesamtprodukts bleibt unbewiesen. Tatsächlich enthalten einige Superfoods wertvolle Antioxidantien oder entzündungshemmende (sekundäre) Pflanzenstoffe. Doch der gesundheitliche Nutzen hängt nicht von einzelnen „Power-Lebensmitteln“ ab, sondern von der gesamten Ernährung.
Jetzt. Magazin: Inwiefern können Superfoods trotzdem zur Prävention von Krankheiten beitragen?
Dr. Verena Keller: Superfoods enthalten viele wertvolle Nährstoffe, die durchaus zur Gesundheit beitragen können – besonders, wenn sie als naturbelassene Lebensmittel verzehrt werden und nicht in hochverarbeiteter Pulver- oder Extraktform. Doch der Schlüssel zur Krankheitsprävention liegt nicht in einzelnen „Super“-Lebensmitteln, sondern in einer insgesamt ausgewogenen Ernährung. Wer sich vielseitig ernährt, nimmt automatisch eine gute Mischung aus Antioxidantien, Vitaminen und Mineralstoffen auf – unabhängig davon, ob die Lebensmittel als „Superfood“ vermarktet werden oder nicht. Wie wirken diese Nährstoffe? Antioxidantien (z. B. in Beeren, Nüssen, Gemüse) neutralisieren schädliche freie Radikale und können so Zellschäden vorbeugen. Vitamine (z. B. Vitamin C aus Zitrusfrüchten oder Vitamin A aus Karotten) unterstützen das Immunsystem, die Zellregeneration und viele Stoffwechselprozesse. Und Mineralstoffe (z. B. Eisen in Hülsenfrüchten oder Magnesium in Nüssen) sind essenziell für Knochen, Muskelfunktion und den Energiehaushalt. Superfoods können also eine gesunde Ernährung bereichern – sie ersetzen sie aber nicht. Wer auf Vielfalt und Frische setzt, tut seinem Körper den größten Gefallen.
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Jetzt. Ausgabe Nr. 2
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