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Jugend und Politik, was geht da? Neues vom Jugendbeirat Homburg

Interview mit Nico Lehmann und Jakob Kruthoff

Jetzt. Magazin: Hallo Nico, hallo Jakob. Schön, dass wir uns treffen und über die Eure Arbeit, den Jugendbeirat, Jugend und Politik ausführlich sprechen. Vielleicht erklärt ihr mal ganz kurz: Was ist der Jugendbeirat Homburg? Was ist denn seine Aufgabe?

Nico Lehmann: Wir sind die Stimme der Jugend in Homburg. Wir wollen die Jugend vertreten. Das klappt mal mehr, mal weniger. In Homburg streiten wir uns mit den Erwachsenen um Themen und versuchen, das Beste für die Ideen junger Leute rauszuholen. Gleichzeitig versuchen wir, auch etwas für junge Leute zu veranstalten und Angebote zu schaffen.

Jetzt. Magazin: Gib mal ein paar Beispiele: Was hat man in der Vergangenheit schon so gemacht?

Nico Lehmann: Wir sind regelmäßig im Stadtrat und äußern uns zu wichtigen Themen. Ein Beispiel ist die geplante Deckelung der Kita-Kosten, also die Vereinheitlichung der Gebühren für alle Träger. Wir als Jugendvertreter sind da auch für die Interessen von Kindern und Familien aktiv. Im Stadtrat haben wir klargemacht, dass wir diese Änderung kritisch sehen. Unser Argument: Wenn die Förderung reduziert wird, leidet ein bestimmter Träger besonders, was weniger Kita-Plätze bedeuten könnte. Ein anderes Beispiel: Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die zweite Stadtjugendpflegestelle wiederbesetzt wird. Ursprünglich gab es zwei Stellen, aber als eine davon unbesetzt blieb, war nur noch eine Person für die gesamte Jugendarbeit der Stadt zuständig – und das war schlichtweg nicht machbar. 

Jakob Kruthoff: Wir mussten über eine Fraktion einen Antrag in den Stadtrat einbringen. Wir haben viel Lobby gemacht und haben es letztlich geschafft, dass es einen Mehrheitsbeschluss gab. Am Ende wurde die Stelle ausgeschrieben und besetzt. Jetzt sind wir sehr froh, und es hat sich gezeigt, dass das absolut die richtige Entscheidung war. Mit Tanja Trenkler haben wir jetzt wieder eine zweite Stadtjugendpflegerin.

Jetzt. Magazin: Was habt ihr denn im Bereich Veranstaltungen bisher so gemacht und was steht noch an?

Nico Lehmann: Unser Steckenpferd ist der Hip-Hop-Contest. Den haben wir letztes Jahr gemacht und dieses Jahr wieder, aber viel, viel größer, wie angekündigt, auf dem Marktplatz. Wie es nächstes Jahr aussieht, weiß ich noch nicht. Da wird es ja einen neuen Jugendbeirat geben, und man muss sehen, worauf die Lust haben und was die wollen.

Wir sind jetzt aktuell dran mit der Idee von einem „Rave“, also quasi einer Techno-Party. Hoffentlich können wir nächsten Sommer Open-Air-mäßig etwas Geiles veranstalten. Da geht es eher in die kulturell-musikalische Richtung, was wir konkret für junge Leute anbieten. Wir haben gerade Bock auf Veranstaltungen.

Jakob Kruthoff: Das ist uns wichtig: Wir wollen nicht nur im Stadtrat sitzen oder mit den Kommunalpolitikern diskutieren, sondern eben auch selbst aus eigener Initiative Angebote für Jugendliche schaffen.

Jetzt. Magazin: Du hast eben gesagt, dass damals der Antrag über die Fraktionen in den Stadtrat kam. Wie funktioniert das in der Praxis? Müsst ihr viel reden, Klinken putzen?

Nico Lehmann: Nehmen wir als Beispiel das Programm „Kinderfreundliche Kommune“ vom Deutschen Kinderhilfswerk. Das ist ein Siegel, das eine Stadt bekommt, wenn sie sich von außen evaluieren lässt, wie sie kinderfreundlicher wird. Das ist echt geil, kostet aber Geld. Du musst eine halbe Stelle dafür schaffen. Es wird dann ein individueller Maßnahmenkatalog für die Stadt erstellt und nach vier oder fünf Jahren wird evaluiert, ob die Stadt das Siegel behalten kann. Wir wollen das auch gerne für Homburg. Und zur Frage: Da kommen wir dann über die Verwaltung rein. Wir bringen solche Sachen zum Beispiel in den KJSS (Kinder-, Jugend-, Senioren- und Sozialausschuss). Die Verwaltung kann auch Tagesordnungspunkte setzen. Wir haben kein Antragsrecht, aber wir haben Rederecht und Anhörungsrecht.

Jetzt. Magazin: Ihr habt vorhin schon über kulturelle Projekte gesprochen. Gibt es auch im politischen Bereich Themen, die ihr unbedingt ansprechen wollt? Habt ihr eine konkrete Agenda für 2025?

Nico Lehmann: Das entwickelt sich. Wenn der neue Jugendbeirat sich konstituiert, dann kann man eine richtige Agenda aufstellen. Wir sind jetzt seit drei Jahren dabei, und gegen Ende geht die Luft raus. Ich sag’s, wie es ist. Im Moment halten wir die Dinge einfach am Laufen. Viel Zeit geht dafür drauf, Ideen der Verwaltung zu kontern. Es ist lästig, aber bei freiwilligen Ausgaben wird immer zuerst bei der Jugend gespart und danach bei der Kultur. Das sind zwei Bereiche, die uns extrem wichtig sind, und da geht es uns immer wieder an den Kragen.

Jakob Kruthoff: Es kommt auch viel von außen auf uns zu. Das hätte ich am Anfang so nicht erwartet. Einerseits kämpfen wir gegen Kürzungen, wie bei der Stadtjugendpflegestelle. Andererseits kommen aus dem Stadtrat oder von anderen Stellen Ideen auf uns zu, was für die Jugend gemacht werden soll, und wir müssen dann sagen, ob wir das unterstützen. Trotzdem: Bis unsere Legislatur endet, arbeiten wir weiter.

Jetzt. Magazin: Wir haben über Politik und Kultur gesprochen. Aber wie erreicht ihr die Jugend in Homburg überhaupt? Woher wisst ihr, welche Themen interessant sind und wofür ihr euch einsetzen müsst?

Nico Lehmann: Wir sind durch unsere Mitglieder natürlich auch in den Schulen vertreten. Die Schüler wissen: „Der ist im Jugendbeirat.“

Jakob Kruthoff: Manche sind auch gleichzeitig in der Schülervertretung aktiv.

Nico Lehmann: Genau, so läuft das. Aber ich muss ehrlich sagen, da ziehe ich mir keine weiße Weste an, uns mangelt es auch ein wenig daran, die Jugend zu erreichen. Wir müssen auf Instagram unsere Beiträge für den Hip-Hop-Contest bewerben. Jugend ist politikverdrossen – mehr als je zuvor. Du merkst das, wenn du junge Leute für die Arbeit im Jugendbeirat begeistern willst. Es gibt immer noch viele engagierte junge Leute, aber es ist zäh, ihnen zu erklären, was der Jugendbeirat eigentlich macht. Es ist oft zu abstrakt für sie.

Jakob Kruthoff: Das beschäftigt uns schon die ganze Zeit: Wie erreichen wir junge Leute? Wir versuchen es weiter, aber man muss ehrlich sein: Wir haben nicht immer viel Feedback oder Input von den Jugendlichen in Homburg bekommen.  Das ist ein Punkt, an dem man definitiv weiterarbeiten muss.

Jetzt. Magazin: Ist das eine allgemeine Politikverdrossenheit? Haben Jugendliche einfach keine Lust mehr, sich zu engagieren?

Nico Lehmann: Nein, das glaube ich nicht. Ich würde Jugendliche nicht als desinteressiert abstempeln. Sie haben Lust, sich zu engagieren – aber nur in den Bereichen, die sie wirklich interessieren. Corona hat die Situation verschärft. Schon vor der Pandemie war klar, dass die Nachwuchsarbeit in Vereinen zusammenbricht. Aber Corona hat dem den endgültigen Cut gegeben. Das spürt man jetzt, doch es kommt langsam wieder. Es braucht Zeit, Engagement und Leute, die andere begeistern können. Dann läuft das auch, unabhängig von der Politik. Vieles hat sich in die digitale Welt verlagert. Es ist heute eher Aktionismus, der sich vor allem in sozialen Medien abspielt. Das muss man abholen. Vielleicht ist der Treffpunkt heute nicht mehr der Sportplatz im Dorf, sondern die Story auf Instagram. Wenn du mit jungen Leuten Kontakt hast, merkst du: Sie posten viel, sind idealistisch und haben ihre Meinung. Aber sie sind nicht mehr so klassisch „auf dem Dorf vernetzt“. Ihre Aktivitäten sind digital.

Jakob Kruthoff: Das liegt auch daran, dass nicht jeder die Zeit oder Kapazitäten hat, sich zu engagieren. Das kann man nachvollziehen. Viele Jugendliche sind interessiert, aber sie können nicht immer alles machen, was sie gern würden.

Nico Lehmann: Außerdem sind viele Angebote nicht niedrigschwellig genug. In Vereinen gibt es oft eine eingeschworene Gruppe älterer Leute, die dann sagen: „Komm mal vorbei.“ Das ist eine riesige Hemmschwelle für Jugendliche. Man schämt sich und fühlt sich nicht abgeholt. Das ist einfach nicht attraktiv.

Jetzt. Magazin: Es braucht also verschiedene Ansätze, um Jugendliche zu erreichen. Könnte man den Jugendbeirat gezielt so aufstellen, dass Mitglieder aus verschiedenen Bereichen kommen – Social Media, Kultur, Sport – um möglichst viele Jugendliche anzusprechen?

Nico Lehmann: Das ist eine Idee, aber ich würde nicht sagen: „Du machst Social Media, komm in den Jugendbeirat.“ Oft versprechen Leute in solchen Situationen viel. Sie sitzen vor dir und sagen: „Voll geil, ja, mach ich.“ Aber sobald sie zu Hause sind, sieht die Sache anders aus. Das ist in allen Vereinen ähnlich.

Jetzt. Magazin: Es wird oft gesagt, dass es zu wenige Angebote für Jugendliche und Junggebliebene in Homburg und Umgebung gibt. Was ist Eure Meinung dazu?

Nico Lehmann: Das hörst du von uns auch. Was gibt es denn hier? Homburger Musiksommer, Jazz. Klingt gut, ist nicht schlecht. Aber ist das jugendfreundlich? Wir haben unseren Hip-Hop-Contest, der von der Kulturgesellschaft unterstützt wird – den machen wir. Aber ansonsten? Komplette Fehlanzeige bei Jugendangeboten. Es gibt keine konsumfreien Räume in der Stadt. Das „HOMie“ ist eine coole Sache, ja. Aber ich glaube nicht, dass das „HOMie“ weitergeführt wird, wenn die Fördergelder weg sind. An der Kultur kannst du nicht sparen, weil ältere Leute das schlecht finden würden, wenn der Musiksommer wegfällt. Aber an wem sparst du dann? An der Jugend. Mit uns kann man es eben machen.

Jetzt. Magazin: Und wie könnte hier eine Lösung aussehen?

Nico Lehmann: Junge Leute im Stadtrat! Die, die Entscheidungen treffen, sollten vielleicht mal der betroffenen Gruppe angehören. Statt nur einen Jugendbeirat zu haben, sollten junge Menschen im Stadtrat mitstimmen dürfen. Es gibt ein paar, aber viel zu wenige. Am Ende leidet immer die Jugend darunter. Es ist ein Geldproblem. Der Musikpark war so eine geile Location, aber jetzt ist alles baufällig. Ich verstehe es ja, aber es fehlt an Alternativen.

Jakob Kruthoff: Es gibt halt keine Musterlösung. Es fehlt an etablierten Treffpunkten oder regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen, wo man einfach hingehen kann. Die meisten fahren nach Saarbrücken oder Kaiserslautern.

Jetzt. Magazin: Braucht es nicht dringend neue Locations, wo man Events machen könnte? Könnte die Stadt da etwas tun? Oder private Veranstalter?

Nico Lehmann: Sicher! Aber ist nicht rentabel. Jugendarbeit ist eine Investition. Man steckt heute Geld rein, aber die Früchte erntest du erst in 20 Jahren. Das zahlt sich langfristig aus, wenn du Leute gut förderst, die später Steuern zahlen und zur Gesellschaft beitragen.

Jetzt. Magazin: Aber wenn man nichts tut, verpasst man doch die Chance, die Kultur der Jugend zu prägen. Und das beeinflusst auch, wie die Jugendlichen ins Erwachsenenalter gehen.

Nico Lehmann: Ich bin bei dir. Es gibt da nur keine Musterlösung. Wenn es die gäbe, hätten wir sie schon. Aber es gibt gute Ansätze. Man kann schauen, was andere Städte machen. Es gibt selbstverwaltete Jugendzentren, wie das Jugendkulturzentrum über dem Musikpark. Aber das läuft alles so „low-key“, unterm Radar. Es gibt keine richtigen Anlaufstellen für Jugendliche in der Stadt.

Jakob Kruthoff: Wir haben kürzlich gehört, dass der Vorstand im Jugendkulturzentrum wechseln sollte. Die suchen neue Leute, die sich engagieren. Aber es spricht nicht mehr viele an, und neue Leute zu finden, ist          echt schwer.

Jetzt. Magazin: Warum ist das so? Fehlen einfach neue Beteiligungsformate?

Nico Lehmann: Genau. Junge Leute engagieren sich heute nicht mehr explizit für nur einen Verein, sondern für Anliegen. Fridays for Future ist ein gutes Beispiel. Oder Friedensdemos – da gehen sie hin. Aber sie wollen sich nicht binden oder einen Stempel aufgedrückt bekommen. So ticken junge Leute heutzutage.

Jakob Kruthoff: Das stimmt. Wir hatten Anfang 2024 in Homburg Demos gegen Rechts. Es kamen viele Jugendliche von sich aus, weil sie diese Demos unterstützen. Das zeigt, dass sie interessiert sind, auch politisch. Es ist ihnen nicht egal, was um sie herum passiert.

Nico Lehmann: Das kommt aber oft nicht bei den Älteren an. Die denken, junge Leute engagieren sich nicht, weil sie das nicht sehen. Vieles passiert im digitalen Raum, und das sehen ältere Leute nicht. Das führt zu Vorurteilen. Wenn ich in die Dorfkneipe gehe und meine Ortsvereinssitzung mache, sitzt da keine junge Person. Also denke ich: „Die haben keine Lust auf Politik.“ Es fehlt an Begegnung.

Jakob Kruthoff: Wenn ein Thema da ist, ein Anliegen, dann funktioniert das. Aber die Verbindlichkeit schreckt viele ab. Das ist nicht mehr so attraktiv.

Jetzt. Magazin: Ihr habt von der Beteiligung im digitalen Raum gesprochen. Bringt das überhaupt etwas?

Nico Lehmann: Ja! Die AfD zeigt, wie es geht. Sie war die erste Partei, die in den digitalen Raum vorgedrungen ist, mit ihrer Scheiße. Vor allem auf TikTok haben sie junge Leute abgeholt. Jetzt ziehen die anderen Parteien langsam nach.

Jakob Kruthoff: Das ist total paradox. Sie haben die konservativsten und reaktionärsten Ansichten, aber nutzen die modernen Tools am effektivsten.

Nico Lehmann: Die schaffen dort eine Deutungshoheit, und die machen das sehr gut. Die anderen Parteien haben das verschlafen. Ich kann Deine Frage jedenfalls klar bejahen: Digitale Arbeit ist wichtig.

Jetzt. Magazin: Also braucht es viel mehr Engagement im digitalen Raum, um die Jugend zu erreichen?

Nico Lehmann: Absolut. Aber es ist hart. Die Währung im Internet ist Aufmerksamkeit. Du kannst posten, was du willst, aber wenn es niemand sieht, bleibt es unsichtbar. Viele Ortsvereine posten auf Instagram und bekommen drei Likes. Die bleiben in ihrer Bubble. Polarisierender Content funktioniert halt – und wer polarisiert? Blau. Das ist scheiße.

Jetzt. Magazin: Instagram-Posts bewerben, damit sie ankommen. Das klingt frustrierend. Seid ihr also abhängig von diesen Systemen, um überhaupt Gehör zu finden?

Nico Lehmann: Ja, absolut. Es ist ein echtes Kosten-Nutzen-Ding. Instagram ist unglaublich lästig. Es kostet viel Arbeit, Inhalte zu erstellen und den Kanal zu pflegen. Dann hast du am Ende 100 Follower und bekommst 10 Likes auf deine Beiträge. Das bringt nichts, du erreichst damit keinen.

Jakob Kruthoff: Eigentlich geht es doch darum, dass wir die Leute erreichen, die uns ihre Ideen und Anregungen geben. Es bringt nichts, zu zeigen, wo wir überall waren, wenn es keinen Input von den Jugendlichen zurückgibt.

Nico Lehmann: Aber das machen gerade alle politischen Akteure. Sie posten, wo sie waren, und versuchen, sich gegenseitig zu überbieten. Das hat absolut keinen Mehrwert! Wenn ich sehe, dass ein Ortsverein ein Heringsessen gemacht hat, was bringt mir das?

Jetzt. Magazin: Wäre es eine Lösung, größere Accounts zu schaffen, die Menschen mit ähnlichen Zielen bündeln, um so mehr Reichweite zu haben?

Nico Lehmann: Es gibt ja größere Accounts, zum Beispiel von Stadt- oder Landesverbänden. Aber auch die werden meist von einer Handvoll Leute betrieben. Und da hängt es dann wieder vom Engagement Einzelner ab. Es ist wirklich zäh und oft ernüchternd. Vielleicht müsste man sich stärker auf Inhalte konzentrieren, statt nur zu posten, wo man war. Aber die meisten Akteure leben in ihrer kommunalen Bubble und merken nicht, dass sie digital eigentlich irrelevant sind.

Jakob Kruthoff: Es müsste mehr um Inhalte gehen: Worum geht es uns? Was sind unsere Forderungen? Welche Anliegen haben wir? Wenn wir damit mobilisieren, könnten wir etwas erreichen.

Jetzt. Magazin: Aber das klingt nach viel Aufwand, oder?

Jakob Kruthoff: Klar, das ist es. Es ist einfacher, ein Bild zu posten und zu sagen: „Wir waren da auf dem Dorffest.“ Aber wirklich durchdachte Inhalte zu erstellen, die bei den Leuten ankommen, erfordert viel Arbeit.

Nico Lehmann: Und Politik ist arrogant. Viele meinen, sobald sie im Stadtrat sitzen oder Vorsitzende sind, kennt sie jeder. Sie lehnen sich zurück, ruhen sich auf ihrem Status aus und verlieren dabei das Vertrauen der Leute. Du wählst jemanden, und danach siehst du nur, wie er auf Dorffesten herumläuft. Aber wo bleibt der Mehrwert? Ich weiß, ich gehe da hart ins Gericht. Viele meinen, sie machen viel, weil sie überall sichtbar sind. Aber echte Ergebnisse? Fehlanzeige. Vielleicht ist das der Grund, warum Politik so zögerlich im digitalen Raum agiert.

Jakob Kruthoff: Und genau in dem Moment überlässt man es den Populisten und die nutzen das für sich. Das ist ein großes Problem, weil man dem nur schwer etwas entgegensetzen kann.

Nico Lehmann: Wir diskutieren manchmal mit Kindern, die reden die Parolen ihrer Eltern nach. Und dann denkst du dir: „Alter…..“, das geht doch schon mit acht Jahren los. Die schnappen das auf, wissen aber gar nicht, worum es geht. Mit zwölf sind sie dann schon ausländerfeindlich. Und wenn niemand interveniert, bleibt das so.

Jetzt. Magazin: Also wachsen sie in diese Ideologie hinein?

Nico Lehmann: Genau. Sie werden so sozialisiert.

Jakob Kruthoff: Hier liegt das Problem. Sie müssen lernen, zu reflektieren. Und wenn das nicht passiert, ist es wirklich problematisch.

Nico Lehmann: Und dafür braucht es Strukturen. Wenn man junge Leute alleine lässt, während sie überall populistische Inhalte konsumieren, hat man keine Chance, dagegen zu steuern oder ihnen andere Perspektiven aufzuzeigen. Aber dann spart die Stadt wieder an den falschen Stellen – und alle wundern sich, warum AfD gewählt wird. Das finden wir scheiße!

Jetzt. Magazin: Vielen Dank für die wirklich interessanten Einblicke in eure Gedanken und die Jugendarbeit vor Ort. Für Euch alles Gute!

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