Donnerstag, Juni 5, 2025
17.3 C
Saarland

- Anzeige -

StartGesellschaftDigitalisierung & TechProf. Adrian Müller über den rasanten Fortschritt der KI...

Prof. Adrian Müller über den rasanten Fortschritt der KI und warum Deutschland den Anschluss nicht verpassen darf 

Von Daniel von Hofen

Was macht eine Maschine eigentlich „intelligent“? Diese Frage beschäftigt nicht nur Fachleute, sondern auch immer mehr Menschen, die im Alltag mit Systemen wie ChatGPT, Alexa oder automatisierten Service-Hotlines in Berührung kommen. Doch hinter der Faszination für sprechende Roboter und textgenerierende Programme steckt ein Forschungsfeld, das sich rasant entwickelt – und viele Menschen verunsichert. Zeit also, genauer hinzusehen. Einer, der sich damit auskennt, ist Prof. Adrian Müller von der Hochschule Kaiserslautern. Gemeinsam mit seinem Team forscht er zu künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik – und weiß aus erster Hand, wie rasant der Fortschritt ist, aber auch, wie oft dabei falsche Erwartungen und unbegründete Ängste aufeinandertreffen.

Die einfachste Erklärung, sagt Müller, sei oft die beste: „Künstliche Intelligenz soll helfen – wie ein Akkuschrauber mit Drehmomentbegrenzer. Nur eben auf kognitiver Ebene.“ Das Ziel sei nicht, den Menschen zu ersetzen, sondern ihm Routinen abzunehmen und Fehler zu vermeiden. Zwar gebe es verschiedene Definitionen – von der Nachbildung menschlichen Denkens bis zur Turing-Test-basierten Illusion von Intelligenz –, doch alle eint das Ziel, komplexe Prozesse maschinell zu erfassen und umzusetzen. Der Informatikprofessor plädiert für eine pragmatische Sichtweise: „KI kann viel, aber sie ersetzt keine Kreativität.“ Trotzdem kursieren nach wie vor zahlreiche Mythen. KI werde den Menschen überflüssig machen, heißt es da, oder sie werde irgendwann selbständig die Kontrolle übernehmen. Aus Sicht des Wissenschaftlers sind das Märchen – gefährlich allenfalls, wenn sie verhindern, dass man sich ernsthaft mit den echten Herausforderungen auseinandersetzt.

Die Reise der künstlichen Intelligenz begann schon viel früher, als viele denken. Bereits in den 1960er Jahren entwickelte Joseph Weizenbaum den ersten Chatbot „Eliza“, der mit einfachen Mustern Gespräche simulierte – damals in der Programmiersprache LISP. Müller erinnert sich an die Faszination: „Seine Sekretärin hat sich mit dem Programm über ihre Eheprobleme unterhalten. Das war ein Aha-Erlebnis.“ Danach folgten die regelbasierten Expertensysteme der 1980er, die zum Beispiel bei medizinischen Diagnosen halfen. Doch bald darauf flaute die Begeisterung wieder ab – der sogenannte „KI-Winter“ der 1990er Jahre war vor allem von enttäuschten Erwartungen geprägt. 

Und heute? Heute sind es die sogenannten „Large Language Models“ – wie ChatGPT –, die weltweit für Aufsehen sorgen. Sie erzeugen Texte, die täuschend menschlich wirken. Doch sie funktionieren ganz anders als der Mensch. „Die Systeme bilden keine Gedanken ab, sondern errechnen aus gewaltigen Datenmengen die wahrscheinlichste Wortfolge“, erklärt Müller. Er sieht hier eine neue Dimension: „Die Multimodalität dieser Modelle, also ihre Fähigkeit, Text, Bilder, Ton und sogar Videos zu verarbeiten, ist ein echter Gamechanger.“ Diese Multimodalität sei ein riesiger Fortschritt – und eröffne Anwendungen, die noch vor wenigen Jahren unvorstellbar schienen.

Ein Beispiel? In einem internationalen Forschungsprojekt arbeiteten fünf Robotiklabore daran, Sprachmodelle mit Bilddaten zu verbinden. Das Ergebnis: ein System, das erkennen kann, ob ein Apfel auf einem Teller liegt – und dann eigenständig eine einfache Handlungsanweisung ausführt. Statt zwei Stunden mühsamer Programmierung reicht ein Satz wie „Stell den Apfel auf den Teller“. Für Müller steht fest: „Wenn der deutsche Mittelstand solche Technologien nicht nutzt, ist er selber schuld.“ Aber Forschung ist nicht gleich Fortschritt. Doch genau da liegt das Problem. Denn während anderswo Milliarden in die KI-Entwicklung fließen, hängt Deutschland hinterher. Nicht, weil es an Know-how fehlt – sondern an Strukturen, Finanzierung und politischem Mut. Gerade in Deutschland beobachtet Müller eine gewisse Trägheit.

Der Frust über bürokratische Hürden und fehlende Innovationskultur ist deutlich spürbar. Zwar gebe es in Deutschland durchaus große Unternehmen mit eigenen Forschungsabteilungen – SAP, Bosch oder Mercedes etwa – doch die wirklich bahnbrechenden Entwicklungen kommen oft aus dem Ausland. „Wir haben eine hochentwickelte Industrie, sind führend im Maschinenbau, aber KI ist eine andere Liga“, sagt er. Ein Grund: Während man hierzulande monatelang über Datenschutz und Zuständigkeiten diskutiert, sind andere längst im Markt. „Wir brauchen dringend mehr Klarheit, mehr Tempo – und vor allem mehr Mut“, fordert Müller. Auch die Debatte um Regulierung und Ethik spielt eine Rolle. Niemand wolle Wildwuchs. Aber die Angst, etwas falsch zu machen, lähmt.


Ein besonders anschauliches Beispiel für angewandte KI ist der RoboCup – ein internationaler Wettbewerb im Roboterfußball, an dem sich auch die Hochschule Kaiserslautern beteiligt. Was auf den ersten Blick verspielt wirkt, ist in Wahrheit ein hochkomplexes Forschungsprojekt. Die humanoiden Roboter, ursprünglich für den Einsatz in Kindergärten entwickelt, verfügen über weit weniger Rechenleistung als ein durchschnittliches Smartphone – und müssen dennoch in Echtzeit Entscheidungen treffen, Mitspieler und Gegner erkennen, den Ball verfolgen, sich bewegen und mit dem Team kommunizieren. „Robotik ist KI auf Steroiden“, sagt Professor Müller, der das Projekt betreut. Die technische Herausforderung ist enorm. Mehrere Programme laufen gleichzeitig: Bilderkennung, Bewegungssteuerung, Entscheidungslogik – alles muss zusammenspielen. Doch der Teufel steckt im Detail. „Man glaubt gar nicht, wie viele Dinge schiefgehen können, bis man es selbst erlebt hat“, so Müller. Mal fällt das Licht ungünstig, mal verwechseln die Sensoren ein Schienbein mit dem Ball. 

Foto: RoboCup Germany / Frank Erpinar

Den vollständigen Artikel lesen Sie in der Jetzt. Ausgabe Nr. 2

Klicken Sie bitte hier:

- Anzeige -

0
Would love your thoughts, please comment.x