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Es ist diese Illusion von Tiefe, die einen beim ersten Blick fesselt: Tattoos, die wirken, als seien sie nicht gestochen, sondern modelliert. Schwarz und Weiß genügen Sascha Linz und Julia Theodora, um Gesichter, Körper und Szenen so auf die Haut zu bringen, dass man sie beinahe greifen möchte. Entstanden ist daraus in Blieskastel ein Studio, das Realismus auf Weltklasse-Niveau hebt – und doch bleibt der Ton der beiden leise. Kein Pathos, kein Gerede von Kunst. Stattdessen unermüdliches Zeichnen, Beobachten, Schattieren. Wer ihre Arbeiten sieht, ahnt, wie viel Disziplin und Feingefühl nötig sind, damit ein Bild auf Haut nicht nur entsteht, sondern Bestand hat.
Hallo, schön dass Sie sich Zeit genommen haben. Sie sind im Tattoobereich absolute Profis. Ihre Tattoos wirken fast dreidimensional, als könnte man sie berühren. Wie erklären Sie Menschen, was das Besondere an Ihrem Stil ist?
Sascha Linz: Bei Kunst, egal welcher Form, geht es immer um Emotionen – und genau das ist uns bei unseren Arbeiten wichtig. Unsere Designs sollen etwas auslösen, nicht nur schön aussehen. Wir wollen uns auf das Wesentliche fokussieren. Unser Name Schwarz-Weiss-Tattoo ist bewusst gewählt. Es steckt darin, was wir tun und wer wir sind. Schwarz, Weiß – Licht und Schatten. Wir versuchen daraus maximale Wirkung zu schaffen, sowohl emotional als auch darstellerisch, das macht uns aus.
Fotos: Schwarz Weiss Tattoo
Wie haben Sie sich dieses Wissen erarbeitet – was hat Sie ausgerechnet an Schwarz-Weiß-Realismus so gepackt, und wie haben Sie Ihre Fähigkeiten über die Jahre in der Praxis geschärft?
Sascha Linz: Ich zeichne schon seit meiner frühen Kindheit. Zeichnen ist für mich unverzichtbar – Kunst fasziniert mich jeden Tag aufs Neue. Um meine Fähigkeiten zu vertiefen, habe ich mich intensiv mit Körper- und Formstudien beschäftigt. Ich wollte verstehen, warum ich Dinge intuitiv so zeichne und darstelle, wie ich es tue.
2016 habe ich mein größtes Hobby schließlich zum Beruf gemacht und mir den Traum von meinem eigenen Tattoostudio erfüllt. Heute führe ich dieses Studio gemeinsam mit meiner Frau und Kollegin Julia, die ich selbst ausgebildet habe.
Bei Julia war schnell klar, dass ihr Realismus am meisten liegt. Also haben wir ihre Fähigkeiten gezielt weiterentwickelt – beginnend mit einfachen Zeichenübungen, wie dem Darstellen von Gegenständen mit unterschiedlichen Strukturen und Lichtverhältnissen. Die ersten anderthalb Jahre hat Julia ausschließlich gezeichnet, bevor sie auf Kunsthaut das Handling der Maschine erlernt hat.
Unsere Handschrift war schon immer sehr ähnlich, weil wir die Welt auf eine fast identische Weise wahrnehmen – stark emotional. Das machte es für mich leicht, Julia zu vermitteln, worauf es wirklich ankommt: Realismus bedeutet nicht nur, Bilder zu kopieren, sondern zu fühlen, was man sieht.
Julia Theodora: Sascha hat mir beigebracht, genau hinzuschauen, Licht und Schatten bewusst zu lesen und auch Dinge zu sehen, die auf einer schlechten Referenz nicht klar erkennbar sind. Genau das macht unsere Arbeiten lebendig. Am Schwarz-Weiß-Realismus hat mich schon immer die Stimmung fasziniert. Sie strahlt für mich etwas Melancholisches und Emotionales aus und konzentriert sich durch Licht und Schatten auf das Wesentliche eines Bildes.
Durch das tägliche Zusammenarbeiten beeinflussen wir uns gegenseitig stark und wachsen stetig aneinander – künstlerisch wie auch menschlich. Wir glauben daran, dass es entscheidend ist, warum man Dinge tut: nicht aus Erfolgs- oder Anerkennungsdrang, sondern für sich selbst, mit dem Ziel, sich täglich in jeder Hinsicht zu verbessern.

Sascha, Inhaber und Tattoo artist
Stilrichtung: black & grey realistic Tattoos
Mein Name ist Sascha, ich führe seit 2016 erfolgreich mein Tattoo Studio im Saarland, in der kleinen Stadt Blieskastel. Seit meiner Kindheit bin ich begeistert vom zeichnen. Mich fasziniert am Tätowieren, etwas für ein ganzes Leben schaffen zu können, in einer Welt in der die Schnelllebigkeit leider alltäglich geworden ist. Ich arbeite als black & grey realistic tattoo artist in unserem Team in Blieskastel. Die Intention hinter meiner Kunst ist es den Menschen etwas zu bieten, was unvergänglich ist und ihnen ein Leben lang Halt gibt. Für mich ist das Tätowieren meine Leidenschaft.
Foto: Sarina Linz
Wann hatten Sie den Moment, an dem Sie dachten: Jetzt ist es nicht mehr nur ein Tattoo, sondern wirklich Kunst auf Haut? Und war das Ihr Ziel?
Sascha Linz: Ganz ehrlich – wir hatten diesen Moment nie. Ich hatte nicht das Ziel, «Kunst» zu machen. Mir ging es anfangs darum, Teil der Tattooszene zu sein und mit Respekt vor traditionellen Künstlern der Branche meinen Teil dazu beizutragen. Es ist für mich ein wahnsinniges Privileg, mit dem, was ich am meisten liebe, meinen Lebensunterhalt verdienen zu dürfen. Dass meine Arbeit von Außenstehenden so bewundert wird, war mir lange gar nicht klar, weil ich die meiste Zeit nur Verbesserungsmöglichkeiten sehe, wenn ich mir meine Arbeit anschaue. Ich wollte die Tattooszene bereichern und etwas beisteuern. An mir selbst habe ich fast nur Traditional Tattoos, weil es zu der Zeit kaum realistic Artists gab, als ich mich exzessiv tätowieren ließ. Auch das ist für mich Kunst, es geht bei Tätowierungen nicht nur um das, was nach außen sichtbar ist, sondern auch um Momente und Erinnerungen, die man sich einfängt. Tattoos sind für uns Lifestyle.
Schwarz-Weiß klingt schlicht – und doch entsteht bei Ihnen Tiefenschärfe. Welche gestalterischen Entscheidungen sorgen dafür?
Sascha Linz: Es gibt unzählige Dinge, die wir bei der Designgestaltung beachten und welche Referenzen wir wählen. Entscheidend ist in erster Linie, dass wir zusammen rausgefunden haben, wie wir die Stimmung eines Bildes mit bestimmten Kontrasten lenken, und somit beim Betrachter bestimmte Emotionen auslösen können.
Vor der ersten Linie: Welche Faktoren – Größe, Kontrast, Platzierung – entscheiden darüber, ob ein Motiv auch nach vielen Jahren noch stark wirkt?
Sascha Linz und Julia Theodora: Auch hier spielen viele Dinge eine Rolle. Ein paar wichtige Faktoren sind:
• Größe: Wenn ein Motiv zu klein ist und viele feine Details hat, verschwimmen sie im Laufe der Zeit. Je detailreicher und kleiner ein Motiv ist, umso mehr Zeit muss man sich beim Tätowieren lassen, um dies zu vermeiden und die Haut nicht zu überarbeiten.
• Kontrast: Ohne kräftige Schwarz- und Weißbereiche wirkt ein Tattoo verwaschen und flach. Nichts ist schlimmer, als ein Tattoo, das nach ein paar Jahren einfach nur noch grau ist. Auch hierbei ist es wichtig, sich genügend Zeit zu nehmen, die Farbe schonend in die Haut einzuarbeiten, um eine gute Wundheilung zu gewährleisten und entsprechend ein Maximum an Farbsättigung zu erreichen.
• Platzierung: Bei der Platzierung kommt es auf einige Faktoren an. Der wichtigste Faktor ist für uns, das Hauptmotiv so groß zu ziehen, wie es die jeweilige Proportion hergibt, und den Körperfluss einzuhalten, um ein ästhetisches Gesamtbild zu erreichen, das dem Körper schmeichelt.
• Hauttyp & Pflege: Es gibt unzählige, verschiedene Hauttypen, die alle ihre Vor- und Nachteile haben, darauf im Detail einzugehen würde hier den Rahmen sprengen. Kurz ist dazu zu sagen, dass man seine Arbeitsweise immer an den jeweiligen Hauttyp anpassen muss .
Ein gutes Tattoo ist immer ein Zusammenspiel zwischen Artist und dem Träger/der Trägerin des Tattoos. Die Nachsorge und Pflege ist ganz entscheidend für das verheilte Ergebnis. Deshalb bekommen all unsere Kunden und Kundinnen eine Pflegeanleitung, in der alles genau erklärt ist, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.


Arbeiten Sie lieber mit eigenen Fotovorlagen, oder mit Bildern, die Kunden mitbringen? Wann funktioniert eine Vorlage – und wann müssen Sie klar abraten?
Julia Theodora: Wir nutzen beides. Viele Kunden bringen eigene Fotos mit, zum Beispiel vom Haustier oder Familienangehörigen. Sowas machen wir natürlich gerne, allerdings entscheiden wir selbst, ob sich das Foto für ein Tattoo von uns eignet oder nicht. Fertige Designs, die uns vorgelegt werden, übernehmen wir nicht. Wer von uns ein Tattoo möchte, bekommt ein individuell, auf die Person abgestimmtes, Piece von uns gestaltet.
Sascha Linz: Pauschal funktioniert eine Vorlage, wenn sie auf den/die Träger/in abgestimmt ist. Ein Tattoo ist mehr als ein Bild, das man sich aussucht und aufklebt. Daher sollte man als Tattoointeressent nicht beratungsresistent sein – jede Handschrift ist anders und benötigt ihre Anpassung auf dem Körper, um richtig zu wirken.
Haut ist kein neutrales Medium. Wie variieren Sie Ihre Technik bei unterschiedlichen Hauttypen, damit die Feinheiten und die Qualität gleichermaßen erhalten bleiben?
Sascha Linz: Das Thema könnte den Rahmen sprengen – aber kurz gesagt: Man muss sein Design, die Kontraste und die Details immer an den jeweiligen Hauttyp anpassen. Und manchmal merkt man erst während der Sitzung, dass sich die Haut anders verhält als erwartet – dann muss man spontan umschalten, anders schattieren oder die Technik anpassen. Genau das macht einen guten Artist aus. Nur so kann man den gleichen Qualitätsstandard auf allen Hauttypen halten – durch unterschiedliche Herangehensweisen, nicht durch ein starres Schema.
Welche Körperstellen sind denn für detailreiche 3D-Motive besonders ideal – und wo verliert sich die Wirkung? Gibt es Stellen, von denen Sie abraten oder die Tabu sind?
Julia Theodora: Ideale Stellen sind solche mit guter Fläche und nicht zu starker Bewegung: Rücken, Arme, Brust, Beine – grundsätzlich ist alles tätowierbar. Es kommt auf das Motiv an und die gewünschte Körperstelle. Ein Porträt sollte beispielsweise auf eine Stelle gesetzt werden, bei der sich das Porträt nicht verzerrt. Darauf ist bei der Platzierung und Größe des Motiv zu achten. Weniger ideal, bei Realismus zumindest, sind Gelenke (Ellbogen, Knie). An diesen Stellen geht die Farbe schlecht in die Haut und Feinheiten würden sich verlieren. In der Beratung vor Ort, besprechen wir Motiv und Platzierung ausführlich.

Wie läuft die Entwicklung eines Motivs bei Ihnen ab?
Sascha Linz: Zuerst fragen die Interessenten mit ihrer Tattoo-Idee über unsere Homepage www.schwarzweisstattoo.de per Kontaktformular an. Wenn das Motiv zu uns passt, vereinbaren wir einen Termin für ein persönliches Vorgespräch im Studio. Vor Ort sprechen wir dann darüber, was hinter dem Tattoo steckt – ob es eine Bedeutung hat, welche Emotionen damit verbunden sind und was die Kundschaft damit ausdrücken möchte. Die Gestaltung übernehmen dann wir. Das ist uns wichtig, da wir wissen auf was es ankommt um ein ästhetisches Gesamtbild zu schaffen – ein Tattoo ist nicht einfach ein Bild aussuchen und los geht’s – es gibt da sehr viel zu beachten.

Julia, Inhaberin & Tattoo artist
Stilrichtung: black & grey realistic, blackwork Tattoos
Mein Name ist Julia, ich habe mich seit meiner Jugend für Tätowierungen und die dazugehörige Szene interessiert und war schon immer fasziniert von dieser Körperkunst. Für mich stellen Tattoos nicht nur ein ästhetisches Schönheitsideal dar, sondern spielen für mich bei der Verarbeitung von schwierigen Erlebnissen sowie dem Festhalten von Erinnerungen eine große Rolle. Ich arbeite als realistic und blackwork tattoo artist in unserem Teamin Blieskastel. Für mich ist das Tätowieren mehr als nur Arbeit – Es ist ein Lebensgefühl und jedes Projekt so einzigartig, wie die Menschen, die es unter der Haut tragen.
Foto: Sarina Linz
Ein Tattoo-Tag kann acht Stunden dauern. Wie halten Sie da selbst voll konzentriert und mit Präzision so lange durch?
Sascha Linz: Das ist alles Übungssache – Konzentration kann man trainieren. Mit der Zeit hält man immer länger durch. Wir machen regelmäßige Pausen, trinken genug und essen zwischendurch etwas. So bleiben wir fokussiert. Wenn wir merken, dass die Konzentration nachlässt, hören wir lieber auf und setzen die Arbeit an einem anderen Tag fort – das Ergebnis geht immer vor.
Gibt es denn auch sonst Momente, in denen Sie bewusst abbrechen?
Julia Theodora: Wir brechen ab, wenn wir merken, dass die Haut überreizt ist, die Kundschaft die Schmerzen nicht mehr aushält oder wenn wir selbst merken, dass die Konzentration nachlässt. Das Ergebnis steht immer an erster Stelle, egal wie lange es dauert. Für uns hat Zeitdruck bei dieser Arbeit keinen Platz.
Sie sind international gefragt und ausgezeichnet. Mit wem vergleichen Sie sich – und welche Einflüsse kommen vielleicht auch aus anderen Bereichen wie Fotografie oder Kunst?
Sascha Linz und Julia Theodora: Wir schauen uns viele großartige Artists weltweit an – Realism, Black & Grey, Porträt-Artists, Full Color usw. Nicht, um zu kopieren, sondern um zu lernen und uns zu inspirieren. Wir haben beide schon Seminare bei namenhaften Artists absolviert, Sascha bei Randy Engelhardt und Julia bei Thomas Carli-Jarlier. Fotografie und Malerei haben ebenfalls einen großen Einfluss auf uns: Licht, Schatten, Perspektive, wie man gezielt Emotionen in ein Bild bekommt. Auch klassische Kunst, Zeichnung und Ölmalerei helfen uns, das Auge für feine Übergänge und Form zu schärfen. Wir vergleichen uns nicht wirklich, wir wollen eher immer mehr lernen, um an unserer eigenen Technik zu feilen.
Was kostet ein Tattoo auf diesem Niveau?
Sascha Linz und Julia Theodora: Wie in jedem anderen Handwerk auch, können wir keine festen Preise nennen, bevor wir nicht wissen, was die Kundschaft möchte: Größe, Hauttyp, Motivkomplexität – all das beeinflusst die Arbeitszeit und damit den Preis. Nach einem persönlichen Vorgespräch kann man ein Angebot nennen – wir haben, was unsere Qualitätsklasse betrifft, eine sehr faire Preis-Leistungs-Verhältnis – vergleichbar mit anderen Artists, das sagt zumindest unsere Kundschaft, und würden wir auch so unterschreiben.
Wo möchten Sie mit Schwarz Weiss Tattoo in den nächsten fünf Jahren stehen?
Julia Theodora: Wir wollen nach wie vor, dass unser Studio im Saarland Maßstäbe für Realistic- & Blackwork-Tattoos setzt – Sascha hat das Studio genau mit dieser Vision 2016 gegründet, als Tattoofan war er immer interessiert, sich und die Branche zu verbessern. Ein großer Traum von uns beiden wäre, einmal bei der «Gods Of Ink Tattoo Convention» in Frankfurt zu sein – Teil dieser Szene, zusammen mit Menschen, die unseren Stil und unsere Vision verstehen. Vor allem aber möchten wir uns jeden Tag weiterentwickeln und unsere Qualität stetig verbessern, um unserem Anspruch an uns selbst näherzukommen.







