Wenn im Bliesgau die Wälder zu leuchten beginnen, zeigt die Saarpfalz ihr anderes Gesicht. Keine Hochglanzkulisse, sondern eine beeindruckende Landschaft, welche die feinsten Geschichten erzählt: von Bergleuten, Römern, Barock und einer gnadenlos schönen Biosphäre. Wer hier unterwegs ist, wandert durch Schichten von Vergangenheit und Zukunft zugleich – von stillgelegten Stollen bis zu prämierten Wanderwegen, die bundesweit Schlagzeilen machen. Wolfgang Henn kennt diese Facetten wie kaum ein anderer. Als Geschäftsführer der Saarpfalz-Touristik ist er zusammen mit seinem Team Navigator und Übersetzer einer Region, die es nicht nötig hat, sich künstlich zu vergrößern, sondern gerade in ihrer Echtheit gewinnt. Damit punktet man nachgewiesen sowohl bei Einheimischen, als auch bei Besucherinnen und Besuchern. Unter seiner Regie entstehen Angebote, die Gäste nicht nur konsumieren, sondern erleben – ob Bliessteig, Schlossberghöhlen oder Biosphären-Safaris. Ein Gespräch über Auszeichnungen, die mehr sind als Medaillen. Über Nachhaltigkeit, die im Alltag spürbar sein will. Über Chancen an der Grenze zu Frankreich – und über Orte, die selbst für jemanden, der hier zu Hause ist, noch immer ein Stück Zauber bereithalten.
Herr Henn, wenn Sie jemanden im Herbst/Winter zu einem Kurztrip in die Saarpfalz einladen würden – was wäre Ihr erster Tipp?
Für den goldenen Herbst würde ich natürlich eine Wanderung auf dem Bliessteig oder der Schlossbergtour vorschlagen. Hier kann man die tollen Lauffärbungen des Waldes in vollen Zügen genießen. Im Winter empfehle ich gerne Entdeckungstouren in die Unterwelt der Saarpfalz mit einem Besuch in den Schlossberghöhlen in Homburg, dem Saarländischen Bergbaumuseum in Bexbach oder dem Rischbachstollen in St. Ingbert.
Der Bliesgau hat vor einiger Zeit den Titel „Deutschlands nachhaltigste Destination“ in der Kategorie „Fortgeschrittene“ gewonnen. Was bedeutet das eigentlich ganz konkret für die Gäste? Was beweist die Auszeichnung?
Ein konkretes Beispiel, an dem die Gäste die Nachhaltigkeit direkt erleben können, sind unsere Biosphären-Safaris. Hier kann man mit dem Bus individuell oder in der Gruppe die schönsten Ecken der Region klimafreundlich und bequem entdecken. Manche Aspekte spürt der Gast nicht unmittelbar, wenn beispielsweise die Gastgeber über die Verwendung umweltfreundlicher Reinigungsmittel oder den Einsatz regionaler Produkte beraten werden. Mit der Auszeichnung spielen wir in der „Bundesliga“ der Tourismusdestinationen, wie dem Allgäu, der Sächsischen Schweiz oder dem Schwarzwald.

Und noch eine weitere ganz aktuelle Würdigung gab es. Der Bliessteig wurde von der Fachzeitschrift Wandermagazin zum schönsten Mehrtageswanderweg Deutschlands gekürt. Wie fühlt sich ein solcher Ritterschlag für die Region an?
Der Sieg ist eine tolle Teamleistung von vielen Akteurinnen und Akteuren, die die Saarpfalz-Touristik bei diesem „Wahlkampf“ unterstützt haben. Die Region kann stolz darauf sein, einen solchen ausgezeichneten Weg zu haben, das stärkt auch das touristische Selbstbewusstsein der Saarländerinnen und Saarländer und unterstreicht unsere einmalige Natur und Kultur.
Der Bliesgau ist jetzt offiziell als Qualitätsregion Wanderbares Deutschland ausgezeichnet worden – ein Gütesiegel, das bundesweit nur wenige Regionen tragen. Was bedeutet dieser Schritt für Sie, und was merken die Wanderer ganz konkret davon?
Wir sind sehr stolz, dass der Bliesgau jetzt zu den wenigen Qualitätsregionen Wanderbares Deutschland gehört. Für die Gäste bedeutet das vor allem: ein hervorragend gepflegtes Wegenetz, klare Beschilderung, Portaltafeln an den Startpunkten und mit dem Bliesgau-Pfadfinder auch eine digitale Orientierung. Der Bliessteig ist unser Aushängeschild, doch auch viele Rundwege profitieren von dieser Aufwertung. Hinter der Auszeichnung steckt jahrelange Arbeit vieler Beteiligter – und die Bestätigung, dass wir unseren Gästen Wandern auf höchstem Niveau bieten können.

Viele denken beim Reisen an Sommerferien. Was macht gerade die Herbst- und Wintersaison hier so besonders?
Die Herbst- und Wintersaison eignen sich hervorragend, um in der Natur aktiv zu sein. Der milde Oktober und der November locken auch zahlreiche Radler auf den Bliestal-Freizeitweg und die zahlreichen Rundstrecken wie die Adebar-Tour rund um Kirkel oder die Sieben-Weiher-Radtour rund um St. Ingbert. Natürlich hat gerade im Herbst, aber auch im Winter das Wandern Hochsaison, insbesondere die Rundwege, die eine Einkehr ermöglichen, wie der Hüttenwanderweg in St. Ingbert oder die Pfänderbachtal-Runde in Schwarzenacker, sind bei Wanderern sehr beliebt.
Gibt es eine Tour oder ein Erlebnis, bei dem Sie sagen: Das ist pure Saarpfalz in der dunkleren Jahreszeit?
Der Grubenweg Nordfeld ist eine spannende und geschichtsreiche Wanderung durch den Buchenwald rund um den Höcherberg, vorbei an Relikten des ehemaligen Bergbaus, die gerade in winterlicher Stimmung noch mystischer erscheinen. Sehr zu empfehlen sind auch die 9 verschiedenen Lauschtouren in der Saarpfalz, beispielsweise um die Vauban-Festung in Homburg oder über das Gelände von Kloster Wörschweiler. Besonders spannend ist etwa die Führung mit Kammerzofe Henrietta: Klappe zu, Gatte tot – eine skurrile Stadtführung durch Blieskastel.
Das klingt wirklich verlockend. Und um an die ganzen Orte zu gelangen gibt etwas Besonderes. Die Saarland Card ist hier ein spannendes Angebot: freier Eintritt in über 100 Attraktionen und kostenlose Fahrten mit Bus und Bahn. Welche Erfahrungen machen Sie in der Saarpfalz damit – und was schätzen die Gäste daran besonders?
Die Gäste schätzen natürlich die kostenfreien Eintritte in die zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Auf Platz 1 in der Saarpfalz liegen die Homburger Schlossberghöhlen. Die Karte wird von den Unterkünften an Gäste ausgegeben, die mindestens zwei Übernachtungen buchen. Inklusive ist auch die kostenfreie Nutzung von Bus und Bahn im Saarland.
Zwischen Schlossberghöhlen und Europäischem Kulturpark – welche Orte sollte man als Naturliebhaber gerade jetzt entdecken, wenn man Lust auf Geschichte hat?
Direkt über den Schlossberghöhlen lädt die Vaubanfestung zur Erkundungstour ein. Fast schon in Sichtweite vom Schlossberg liegt die Kirkeler Burg mit ihrem kleinen Burgmuseum. Weiter Blies abwärts empfängt die Barockstadt Blieskastel mit ihrer idyllischen Altstadt die Gäste zu einem Stadtrundgang mit der Lauschtour oder der „Zofe Henrietta“ durch die idyllischen Winkel der Altstadt. Im Museum für dörfliche Alltagskultur der Familie Altenkirch in Rubenheim erfahren die Besucher Interessantes über das Alltagsleben der Menschen im 19. und 20. Jahrhundert. Im Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim befinden sich die begehbare Grabstätte der Fürstin von Reinheim, eine römische Villenanlage und die dazugehörige Römerstadt inklusive Thermenanlage.

Kaum eine Region lebt so nah an der Grenze wie die Saarpfalz. Welche Chancen eröffnet die Partnerschaft mit Frankreich – und wo hakt es?
Die unmittelbare Nachbarschaft zu Frankreich hat für unsere Gäste einen besonderen Charme: Mal schnell rüber nach Sarreguemines und gleich französisches Flair genießen. Touristisch haben wir zahlreiche Anknüpfungspunkte, der Bliessteig startet am Bahnhof in Sarreguemines und die erste Etappe verläuft überwiegend in Frankreich. Genauso ist der Bliestal-Freizeitweg in seiner Verlängerung über den Saarland-Radweg grenzüberschreitend nach Frankreich angebunden. Die engste Zusammenarbeit erfolgt natürlich im Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim. Hier möchte man die Organisationen auf deutscher wie auf französischer Seite enger miteinander verflechten. Aus diesem Grund wurde der grenzüberschreitende Verein Vita Futura gegründet. Hier sollen die zukünftigen Investitionen im Park sowie die Vermarktung partnerschaftlich organisiert und finanziert werden. Natürlich sind die touristischen Organisationen in die jeweiligen staatlichen Strukturen mit jeweils eigenen Tourismusstrategien integriert, was die Kooperation teilweise einschränkt. Hier gilt jedoch auch die Devise: Steter Tropfen höhlt den Stein.
Früher hatte man Wanderkarten in der Hand – heute die App. Wie sehr verändert Digitalisierung das Reisen in Ihrer Region?
Heute informieren sich die Gäste bereits vor Reiseantritt digital über die Region. Hier bietet unser Internetauftritt eine breite Palette an Informationen. Zudem können Broschüren digital heruntergeladen oder digital durchgeblättert werden. Selbstverständlich können Broschüren auch digital bestellt werden. Mit der Pfadfinder-App können sich Wanderer ideal auf auf Wandertouren vorbereiten und auch während der Wanderung finden sie Orientierung. Nichtsdestotrotz hat auch die klassische Wanderkarte ihre Fans und wird rege nachgefragt.
Der Vorteil digitaler touristischer Daten, die bei uns auf dem System MeinToubiz liegen, ist weiterhin, dass diese strukturierten Daten an andere Informationssysteme, etwa der Deutschen Zentrale für Tourismus, weitergegeben werden können oder auch von Chatbots wie Alexa verarbeitet werden können.
Digitale Sichtbarkeit, Social Media, das Arbeiten mit Influencern oder Kooperationen sind ein wichtiger Teil Ihrer Öffentlichkeitsarbeit – wie entwickelt sich das Angebot und optimieren Sie sich hier immer wieder?
Die digitale Sichtbarkeit der Region ist sehr wichtig für uns. Daher werden von uns die verschiedensten Kanäle wie Facebook, Instagram, Pinterest und YouTube bespielt. Gemeinsam mit der Tourismus Zentrale Saarland werden gezielt Influencer mit touristischem Background zur Berichterstattung eingeladen sowie TikTok-Beiträge produziert.
Im Frühjahr musste die SaarLorLux-Tourismusbörse abgesagt werden. Was lässt sich daraus ableiten und wie verändert das Ihre Art, die Region künftig zu präsentieren? Heißt es jetzt, umzudenken?
Die SaarLorLux Tourismusbörse öffnete 25 Mal ihre Tore in der Stadthalle St. Ingbert. In den letzten Jahren hatten wir einen Rückgang bei den Besuchern und den Ausstellern auf der Messe zu verzeichnen. Zudem öffnet genau einen Monat früher die Reisen & Freizeit in Saarbrücken ihre Pforten für Reiseinteressierte. Parallel präsentierten sich viele Aussteller, die in St. Ingbert teilnahmen, auch in Saarbrücken. Aufgrund von Einsparungen, Personalmangel und neuer digitaler Präsentationsformen, reduzieren viele Regionen ihre Präsenz auf Messen. Wir werden die Region weiterhin auf der Traditionsmesse Camping, Reise, Freizeit in Bexbach präsentieren.

Wenn Sie die Saarpfalz mit anderen Regionen vergleichen: Was ist Ihr größter Trumpf – warum sollte man gerade hierherkommen?
Große Teile der Saarpfalz sind von der UNESCO als Biosphärenreservat ausgezeichnet und belegen die einmalige Natur und Kultur in unserer Region. Die Saarpfälzerinnen und Saarpfälzer sind überaus herzliche Menschen, die ihre Heimat Gästen gerne näherbringen. Die Saarpfalz vereint Natur, Kultur, Gastlichkeit und Kulinarik in einer besonderen Atmosphäre.
Schön zusammengefasst. Und wo sehen Sie die Saarpfalz in fünf Jahren: eher als Geheimtipp oder als feste Größe auf der Landkarte?
Wir werden eine feste Größe im Aktivtourismus in einer einmaligen Natur, dem UNESCO-Biosphärenreservat Bliesgau. Hier spielen wir in der Bundesliga. Wir werden unsere Angebote sukzessive auf einem qualitätsvollen Niveau ausbauen und uns als Tourismusdestination weiterentwickeln.
Wenn man von hier kommt, hat man den Heimatblick und sieht oft das Besondere gar nicht mehr. Welche Reaktionen bekommen Sie national mit Blick auf das Saarland und den Saarpfalz-Kreis?
Die Gäste sowie die Kolleginnen und Kollegen aus anderen Tourismusdestinationen sind von der Natur, der Kultur und dem kulinarischen Angebot immer wieder positiv überrascht. Regelmäßig hören wir dann, wir kommen wieder in diese tolle Region. Das freut uns natürlich sehr.
Und zum Schluss eine persönliche Frage: Sie erleben die Region wahrscheinlich so intensiv wie kaum jemand. Gibt es für Sie einen Ort, an den Sie immer wieder zurückkehren – einfach, weil er Ihnen etwas bedeutet?
Gerne bin ich als echter „Kuckuck“ (Utzname für die Hasseler) immer wieder rund um meinen Heimatort Hassel in der Natur unterwegs. Hier wandere ich gerne vom Wanderparkplatz Fröschenpfuhl zur Geistkircher Kapelle und durchs Naturschutzgebiet Frohnsbachtal, vorbei am Sägeweiher zum Würzbacher Weiher und weiter über den Triebscheider Hof, vorbei an Pferdekoppeln mit tollen Ausblicken in die Natur, zurück zum Startpunkt. Hier kann ich die Seele baumeln lassen und entspannen.




