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Im Gespräch mit Barbara Neumann, Schulleiterin Robert-Bosch-Schule

Wo die Zukunft jeden Tag beginnt!

Jetzt. Magazin: Hallo Frau Neumann, schön, dass wir heute hier bei Ihnen an der Robert-Bosch-Schule in Homburg sein dürfen. Sie sind nun schon viele Jahre im Schuldienst. Macht Ihnen Ihre Arbeit denn immer noch genauso viel Freude wie zu Beginn?

Barbara Neumann: Absolut. Ich sage immer: Ich arbeite am schönsten Platz der Welt mit den besten Menschen zusammen. Schule ist vielfältig und total interessant, und es wird einfach nie langweilig. Ein Tag geht rasend schnell vorbei, und ich komme sehr gerne hierher. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die nach 30 Jahren im Schuldienst sagen: „Jetzt reicht’s.“ Es ist tatsächlich der schönste Job.

Jetzt. Magazin: Erzählen Sie uns doch ein wenig über sich selbst. Sind Sie schon immer im Bereich Schule tätig gewesen?

Barbara Neumann: Ganz im Gegenteil. Als Schülerin habe ich die Schule nicht besonders gemocht. Ich habe den mittleren Bildungsabschluss gemacht und wollte so schnell wie möglich weg von der Schule. Meine Eltern hätten sich damals gewünscht, ich mache Abitur, aber den Gefallen habe ich ihnen nicht getan. Stattdessen habe ich etwas gelernt, von dem ich wusste, dass meine Eltern es garantiert nicht wollen: Mit 16 habe ich eine Ausbildung zur Kfz-Mechanikerin gemacht.

Nach meiner Ausbildung habe ich dann auch tatsächlich zwei Jahre in einer Werkstatt gearbeitet und danach fünf Jahre in einer Reparaturannahme. Dort habe ich Probefahrten gemacht oder auch Schadensfeststellungen durchgeführt. Aber ich habe in dieser Zeit gemerkt, das ist nicht der Beruf, den ich bis zur Rente machen möchte. Das war mir einfach nicht genug, ich wollte das nicht. Meine Firma wollte mich damals als Kundendienstleiterin einsetzen, aber ich habe mich dazu entschieden, mein Abitur nachzuholen. Ich war vier Jahre am Abendgymnasium in Saarbrücken und habe 1992 mein Abitur gemacht. Bis kurz vor meinem Studium habe ich noch gearbeitet, dann aber aufgehört, um mich voll auf mein Studium zu konzentrieren.

1998 war ich fertig mit dem Studium, dann kam das Referendariat, und 2000 war ich Lehrerin. Ab 2002 habe ich Kolleginnen und Kollegen im Referendariat ausgebildet, und 2007 wurde ich Schulleiterin in Obertal. 2010 bin ich zurück an die Robert Bosch Schule gekommen, wo ich selbst meine Ausbildung gemacht habe. Ich wollte auch immer hierher zurück, denn das ist definitiv meine Schule. Diese Schule war für mich immer Heimat, wie ein zweites Zuhause. Hier bin ich bestens aufgehoben, ich mag einfach Menschen, ich mag die Kinder und alle mit denen ich zu tun habe.

Jetzt. Magazin: Können Sie uns vielleicht etwas über die Schule erzählen? Wie viele Schüler und Lehrkräfte gibt es? Was macht die Schule besonders?

Barbara Neumann: Ja, sicher. Unsere Schule gibt es schon über 60 Jahre. Früher war das mal die Kreisrealschule, später wurde es eine erweiterte Realschule und dann eine Gemeinschaftsschule. Als Kreisrealschule hatten wir etwa 1500 Kinder und Klassen mit 38 Schülerinnen und Schülern, das Schulhaus war da schon sehr voll, das hat man heute nicht mehr. Heute sind es noch etwa 410 Kinder, etwa 40 Kolleginnen und Kollegen sowie etwa 10 externe Mitarbeitende für den Ganztagsbereich.

Wir sind bis einschließlich Klassenstufe 8 eine gebundene Ganztagsschule. Das bedeutet, dass die Kinder von 7:50 Uhr bis 16 Uhr bei uns sind. Dabei handelt es sich nicht um Betreuung, sondern um eine Mischung aus Unterricht und Arbeitsgemeinschaften (AGs). Unsere Lehrkräfte übernehmen das meiste davon selbst. Die externen Mitarbeitenden bieten besondere AGs an, etwa Fußball, Handball, Yoga und andere kreative oder sportliche Angebote. Für den Ganztagsbereich müssen die Eltern nichts bezahlen, abgesehen vom Mittagessen.

Ich bin wirklich fest davon überzeugt, dass eine gute Schule nur über den Ganztag möglich ist. Wenn man nur bis 13 Uhr Schule hat, dann hat man einfach nur Unterricht – das war‘s. Das sind nur die Fächer nach Stundenplan, und das lässt keine Zeit für etwas anderes. Im Ganztag aber können wir die Stunden verteilen, den Tag rhythmisieren und ganz anders gestalten. Die Kinder machen bei uns alle Aufgaben in der Schule. Es gibt keine Hausaufgaben, die Schulbücher bleiben hier. Wir legen großen Wert darauf, dass die Kinder viel miteinander und voneinander lernen, deshalb ist das für uns so wichtig, der Ganztag bis einschließlich Klasse 8. Und ab der 9. Klasse entscheiden die Kinder dann, ob sie das so weiterführen möchten. Es gibt Lernzeiten, in denen die Schülerinnen und Schüler selbstständig arbeiten, und die Lehrkräfte unterstützen sie dabei. Wir haben hier an der Schule auch AGs, also Arbeitsgemeinschaften, in denen die Kinder ihren Interessen nachgehen können, sei es im sportlichen, kreativen oder anderen Bereichen.

Der Ganztag hat sich über die Jahre absolut bewährt. Ich habe mittlerweile fast keine Halbtagsanmeldungen mehr. Vielleicht gibt es mal eine Handvoll Eltern, die sagen: „Wir wollen unser Kind lieber im Halbtagsunterricht haben“, aber das ist eher selten. Die meisten Eltern arbeiten heutzutage selbst den ganzen Tag, und sie schätzen es, dass ihre Kinder bei uns gut aufgehoben sind. Für viele Familien ist es auch ein Vorteil, dass die Kinder keine Hausaufgaben mit nach Hause bringen. Das schafft nach der Schule Freiräume für die Familie.

Wir sehen uns hier einfach als eine Art zweite Familie für die Kinder. Das geht natürlich nur, weil der Ganztag auch von uns Lehrkräften wirklich gelebt wird. Wir sind den ganzen Tag hier, das ist klar. Das Bild vom Lehrer, der „morgens recht hat und mittags frei“, gibt es bei uns nicht mehr. Das funktioniert natürlich nicht. Die Lehrkräfte sind den ganzen Tag gefordert, weil wir nicht nur unterrichten, sondern auch organisieren, betreuen und ganz viele Aufgaben übernehmen, die früher nicht Teil des Lehreralltags waren. Aber genau das macht unsere Schule auch so besonders.

Jetzt. Magazin: Wie hat sich denn die Rolle der Lehrkräfte verändert, gerade in einer Gemeinschaftsschule?

Barbara Neumann: Die Rolle der Lehrkräfte hat sich komplett verändert. Früher, als es noch Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien gab, waren die Kinder vorab sortiert. Man wusste genau, welche Fähigkeiten die Schülerinnen und Schüler mitbrachten, weil die Schulform das vorgab. Bei uns in der Gemeinschaftsschule ist das anders: Wir nehmen alle Kinder auf, unabhängig davon, wo ihre Stärken oder Schwächen liegen. Das bedeutet, dass wir mit einer enormen Vielfalt arbeiten.

Wir haben Schülerinnen und Schüler mit Lese-Rechtschreib-Störungen, Kinder mit ADHS oder körperlichen Einschränkungen. Es kommen auch geflüchtete Kinder zu uns, die teilweise erst die deutsche Sprache lernen müssen. An unserer Schule sprechen wir mittlerweile 25 verschiedene Sprachen. Wir haben Kinder mit kognitiven Einschränkungen und Kinder, die in manchen Bereichen langsamer lernen. Gleichzeitig gibt es aber auch Schülerinnen und Schüler, die besonders leistungsstark sind und viel schneller vorankommen. All diese Kinder sitzen in einer Klasse, und unser Ziel ist es, alle mitzunehmen und auf alle Bedürfnisse einzugehen.

Früher hat sich der Lehrer vorne hingestellt, unterrichtet und die Kinder haben entweder verstanden, was vermittelt wurde, oder eben nicht. Das funktioniert heute nicht mehr. Wir müssen jedes Kind individuell betrachten, damit es einen guten Abschluss bekommt und gleichzeitig Sicherheit in der beruflichen Orientierung. 

Jetzt. Magazin: Wie genau kann man sich das in der Praxis vorstellen?

Barbara Neumann: Wenn wir den Unterricht vorbereiten, denken wir daran, was die Kinder brauchen. Es gibt nicht mehr „eine Aufgabe für alle“. Wir arbeiten mit Differenzierung: Es gibt Kinder, die erhalten einfachere Arbeitsmaterialien oder zusätzliche Hilfestellungen. Andere benötigen anspruchsvollere Aufgaben, um gefordert zu werden und wachsen zu können. Wir geben den Kindern auch sogenannte Hilfe-Kärtchen oder Materialien an die Hand, die sie bei der Lösung ihrer Aufgaben unterstützen.

Dazu kommt, dass wir verstärkt im Team arbeiten. Wir haben ein ausgesprochen gutes Förderteam an der Schule. Diese Kolleginnen und Kollegen sind häufig im Team-Teaching dabei. Sie setzen sich mit in den Unterricht, schauen, wo die Kinder noch Unterstützung brauchen, und greifen uns Lehrkräften unter die Arme. Das kann zum Beispiel bei der Organisation der Arbeitsmaterialien oder der Hefte sein. Manche Kinder benötigen Hilfe, um zu lernen, wie sie ihre Unterlagen richtig führen oder wie sie überhaupt anfangen, eine Aufgabe zu lösen.

Ein großer Teil unserer Arbeit besteht heute darin, die Kinder individuell zu beraten und zu begleiten. Wir fragen uns: Was kann das Kind schon, wo möchte es hin? Wir versuchen immer, die Kinder zu motivieren, indem wir ihnen zeigen, was sie bereits erreicht haben. Dafür haben wir auch sogenannte Kann-Listen. Darin steht: „Was kannst du?“ und nicht „Was kannst du nicht?“ Die Kinder lernen bei uns, ihre eigenen Fortschritte wahrzunehmen. Zu Beginn jeder Unterrichtseinheit erklären wir genau, was auf sie zukommt, was sie lernen werden und welche Ziele sie erreichen können. Wir lassen den Kindern Raum, sich zu entwickeln und selbst einzuschätzen: „Wo stehe ich gerade? Was möchte ich noch erreichen?“ Wir geben ihnen Feedback, aber sie sollen sich auch selbst reflektieren, das ist uns auch sehr wichtig.

Jetzt. Magazin: Und das endet dann mit den verschiedensten Abschlüssen?

Barbara Neumann: Ja, genau. Die Kinder machen bei uns unterschiedliche Abschlüsse – den Hauptschulabschluss, den mittleren Bildungsabschluss oder das Abitur. Das bedeutet, dass sie nicht alle auf demselben Level arbeiten. Aber am Ende müssen alle wissen: „Was kann ich, und was will ich?“ Manche Kinder entscheiden sich für den Weg in die eigene Oberstufe. Wir haben einen Oberstufenverbund mit dem BBZ und anderen Gemeinschaftsschulen, der Neuen Sandrennbahn und der Gemeinschaftsschule in Limbach. Alle unsere Kinder nutzen die Räume am BBZ und unsere Lehrer unterrichten dort in der Oberstufe. Das funktioniert gut, und mittlerweile haben wir schon den dritten Abiturjahrgang erfolgreich durchgebracht. Einige der Kinder studieren sogar bereits.

Andere Kinder machen bei uns den Hauptschulabschluss. Hier ist unser Ziel, dass sie genau wissen, welchen Beruf sie danach ergreifen möchten, oder vielleicht möchten sie ja doch noch den mittleren Bildungsabschluss machen, dafür haben wir ein Berufsorientierungsteam hier an der Schule. Dieses Team zeigt den Schülerinnen und Schülern, welche Möglichkeiten es gibt. Gerade läuft die Potenzialanalyse in Klasse 8. Dabei arbeitet ein Team der Handwerkskammer mit den Kindern zusammen und findet heraus, welche Stärken, Neigungen und Begabungen sie haben. Sind sie handwerklich begabt? Eher kreativ? Oder interessieren sie sich für Bürotätigkeiten? Nach mehreren Tagen bekommen die Kinder ihre Rückmeldung: Wie teamfähig sind sie? Wo liegen ihre Stärken? Danach gehen sie in die Handwerkskammer und probieren verschiedene Berufe aus. Später machen sie ein Schülerbetriebspraktikum und nehmen an Berufswahlmessen teil.

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